Es sei vorweggenommen:
Die diesjährige Theaterwoche zählt zu den interessantesten. Und das
nicht nur, weil der langgehegte Wunsch, daß Spielgruppen aus dem anderen
Teil Deutschlands teilnehmen, in Erfüllung ging, sondern auch, weil
die Vielfalt der Regieeinfälle beeindruckte. Die Begegnung mit den
Laienspielern aus Ostberlin wird bald historische Bedeutung haben;
es war noch eine Begegnung von Menschen, die verschiedenen Gesellschaftssystemen
entstammen. Die Offenheit der Programmgestaltung und die Offenheit
der Diskussionen boten für viele eine neue Erfahrung: dazu die enorme
Chance, sich bei der gemeinsamen Arbeit in den Werkstätten genauer
kennenzulernen.
Die Theaterwoche hatte
einen politischen Schwerpunkt, obwohl der Veranstalter keinen Einfluß
darauf hat. Aus den eingereichten Texten ist das Regiekonzept nicht
ablesbar. Aber in diesem Jahr des politischen Umbruchs lag wohl der
politische Akzemt in der Luft; am deutlichsten angesprochen von den
Spielern aus Ostberlin, am verschlüsseltsten von den Gästen aus Prag.
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Daß mit der Zuordnung Nachmittag
oder abends keine Wertung vorgenommen ist, hat sich noch nicht herumgesprochen.
Die Gruppe "The Wild Bunch"/Berlin hätte ein volles Haus verdient.
Sie hatte den originellen Einfall, den Stummfilm Klassiker "Das Kabinett
des Dr. Caligari" auf die Bühne zu bringen. Mit welchem Einfallsreichtum
und mit welcher Präzision das geschieht, ist umwerfend. Man weiß nicht,
was man mehr loben soll: den Synchronsprecher für alle Rollen; die
Darsteller auf der Bühne, die in Bewegung und Mimik Sprechen vollendet
vortäuschen und Gefühle ausdrücken; die Musiker, die ihre Instrumente
und Geräusche exakt auf das Bühnengeschehen abstimmen. Die Kino-Illusion
war perfekt.
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Dr. Inge
Peroutka-Häuser
Dokumentation zur Theaterwoche Korbach 1990
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